Finanzielle Folgen des demographischen Wandels

In vielen Landeskirchen wird gerade auf die Bevölkerungsprognosen und den demographischen Wandel geschaut. Die bekannte Freiburger Studie von 2017 projektion2060 – Die Freiburger Studie zu Kirchenmitgliedschaft und Kirchensteuer kam zu besorgniserregenden Ergebnissen. Auch in der EKvW laufen in mehreren Kirchenkreisen Zukunftsprozesse, die sich mit der zukünftigen Personalausstattung der Gemeinden und kirchlichen Dienste beschäftigen (z.B. im Kirchenkreis Bielefeld. Im dortigen Projekt Aufbruch2035 habe ich die Arbeitsgruppe zur Entwicklung von Auftrags- und Personalräumen geleitet.). Die Landessynode der EKvW hat zur Unterstützung solcher zu bildenden Personalräume auch schon steigende Korridorwerte vorgeschlagen (aber noch nicht verabschiedet!), um die zukünftige Relation von Gemeindeglieder zu Pfarr- und/oder IPT-Stelle bestimmen zu können. Dieses System ist für die Stellenplanung natürlich rechnerisch einfach, aber daraus ergibt sich noch keine vollumfängliche Personalplanung, denn zu dieser gehört auch die Finanzierung der jeweiligen Stellen. Und der demographische Wandel verstärkt hier die Problematik, wie die Projektion der Freiburger Studie deutlich zeigt.

Vereinfacht gesprochen finanziert sich kirchliches Personal vor allem durch die Einnahme aus der Kirchensteuer, die je nach Landeskirche mit einem bestimmten Schlüssel innerkirchlich verteilt wird, mal wird das Personal vorab abgezogen und dann der Rest an die Gemeinden verteilt, mal taucht das kirchliche Personal im Haushalt der Gemeinde nur als Buchungsposten auf, mal bezahlt die Gemeinde das Personal direkt. In allen Fällen wird aber ein jährlich neu zu bestimmender Faktor x an Euro pro Gemeindeglied ausgeschüttet. Das Grundprinzip ist also, dass die erhobene Kirchensteuer auch direkt in der Gemeinde des Kirchensteuerzahlers ankommt. Der demographische Wandel hat nun in den meisten Gemeinden zwei Auswirkungen: die Zahl der Gemeindeglieder schrumpft und das Durchschnittsalter der Gemeindeglieder steigt. Was bedeutet aber die zweite Auswirkung für die Finanzen? Immer mehr Gemeindeglieder gehen in Rente und diese ist geringer als das vorherige Einkommen und Rente wird in Deutschland aufgrund von steuerlichen Grundfreibeträgen nur teilweise besteuert, also wird auch nur teilweise Kirchensteuer erhoben, die kirchlichen Steuereinnahmen sinken also, in vielen Fällen deutlich schneller als die Zahl der Gemeindeglieder schrumpft!

Für die Stellenplanung einer Kirchengemeinde reicht es also nicht aus, nur auf die Zahl der prognostizierten Gemeindeglieder in beispielsweise 2030 zu schauen (Stichwort: Korridorwerte), es muss zusätzlich auch auf die Einkommensstruktur der Kirche geachtet werden und das zu erwartende Defizit bei den Kirchensteuereinnahmen erhoben werden. Dieses zukünftige Defizit muss ausgeglichen werden (denn die meisten Pfarrer*innen sind verbeamtet, also nicht ohne weiteres kündbar), entweder im landeskirchlichen oder kreiskirchlichen Finanzausgleich oder in der Gemeinde vor Ort. Aus finanzplanerischer Sicht ist es also notwendig, sich heute schon Gedanken darüber zu machen, wie Personalkosten langfristig unabhängig von Kirchensteuereinnahmen finanziert werden können. Hier ist vieles denkbar: Refinanzierung durch Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung, Beteiligung weiterer Partner an den Personalkosten, Extragebühren für bestimmte Dienstleistungen… Denn die Alternative bedeutet, immer größere Korridorwerte=immer größere Seelsorgebezirke. Oder sollte die Alternative vielleicht die mittelfristige Aufgabe des Beamtentums sein?!